Institut für Lebensmittelqualität und -sicherheit (LMQS), Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
Nils Th. Grabowski, Birte Ahlfeld, Corinna Kehrenberg
Das gegenwärtige Lebensmittelrecht in Europa wurde im Wesentlichen für Erzeugnisse von kalt- oder warmblütigen Wirbeltieren erschaffen. Je größer die Unterschiede zwischen neuartigen Lebensmittel und herkömmlichen sind, umso weniger effizient gestaltet sich die rechtsbasierte Lebensmittelkontrolle. Für Speiseinsekten gab es viele Jahre jenseits der allgemeinen Bestimmungen für Lebensmittel entweder keine spezifischere Grundlage oder nur Empfehlungen auf nationaler Ebene. Dem gegenüber stand ein reger Online-Handel mit Speiseinsekten, der von den Behörden geduldet wurde. Während Deutschland und Luxemburg gegenwärtig über keine Spezifikationen zur amtstierärtzlichen Kontrolle von Speiseinsekten verfügen, den Handel aber überwiegend tolerieren, bestehen seit 2017 entsprechende Vorgaben für Österreich, die Schweiz und Liechtenstein. Die österreichische Leitlinie gilt für zehn Insektenarten, die als „Lebensmittel“ i. S. v. VO (EG) 178/2002 angesehen werden und sie weitestgehend in vorhandene nationale und gemeinschaftliche Regelungen einbindet. Genuin neue Vorschriften betreffen u. a. Aufzucht, Tötung, Haltbarmachung und Kennzeichnung. Die Schweiz (und damit auch Liechtenstein) hat drei Insektenarten, das Heimchen (Acheta domesticus), die Europäische Wanderheuschrecke (Locusta migratoria) sowie den Mehlwurm (Tenebrio molitor) als Nutztiere definiert und somit die Erzeugung von Speiseinsekten legalisiert. Das Informationsschreiben 2017/1 umfasst die Anforderungen an die Primärproduktion, die Etikettierung und den Import. Grundsätzlich gelten für diese Arten dieselben Bestimmungen wie für andere Nutztiere, auch wenn etwa die Fütterungsvorgaben abweichen. Seit 2018 ist in der EU die Neufassung der Novel-Food-Verordnung (2015/2283) in Kraft getreten. Anders als die nationalen Regelwerke enthält die EU-Verordnung lediglich die Details zur Zulassung von neuartigen Lebensmitteln. Der vorliegende Beitrag beschreibt und kommentiert diese Rechtsakte. Durch den Umstand, dass es Futtertierzüchtern in der Schweiz ermöglicht wird, sich auf Speiseinsektenerzeugung umzustellen, wird das Know-How dieser Berufssparte genutzt. Positiv ist ebenfalls, dass die Primärproduktion auch die Abtötung und die Hitzebehandlung umfasst, so dass nur erhitzte (pasteurisierte oder sterilisierte) Erzeugnisse den Betrieb verlassen. Im Gegensatz zu den nationalen Vorgaben ist die EU-Verordnung 2015/2283 nicht artgebunden. In allen Fällen wurde Rechtssicherheit geschaffen, und es bleibt abzuwarten, wie sich nun das kommerzielle Angebot und die Nachfrage entwickeln und inwiefern die dort nun gültigen mikrobiologischen Grenzwerte der guten hygienischen Praxis von allen Produkten eingehalten werden können.
Current European food law was basically designed for products from cold or warm-blooded vertebrates. The more a novel foodstuff (in Europe) differs from a conventional one, the less efficient will be its food law-based control. For many years and beyond general foodstuff regulations, there were either no more specific bases for food insects or existed only as recommendations on national levels. This was opposed to a vivid online trade with food insects that was tolerated by the authorities. While Germany and Luxemburg remain without any national framework to control food insects but basically tolerate their distribution, corresponding documents were issued by Austria, Switzerland, and Liechtenstein in 2017. The Austrian guideline is valid for ten insect species recognised as “foodstuff” according to REG (EC) 178/2002, integrating them into existing national and community regulations. Genuinely new requirements were made for rearing, killing, preservation, and labelling, among others. Switzerland (and, by extension, Liechtenstein) defined three insect species, i. e. the house cricket (Acheta domesticus), the European migratory locust (Locusta migratoria), and the common mealworm (Tenebrio molitor) as livestock. The “information letter 2017/1” comprises the requirements for the primary production, labelling, and import. Although feeding requirements may differ, the overall provisions for insects are the same as for other lifestock species. In 2018, the amended version of the novel food regulation (2015/2283) became operative. Unlike the national legal frames, the EU regulation merely contains the details concerning the authorisation of novel foods. The present contribution describes and comments these regulations. By allowing feed insect breeders to shift to food insect production, their know-how is included in this novel production area. Another advantage is that primary production also includes killing and heat treatment, ensuring that only pasteurised or sterilised products leave the farm. In contrast to the national guidelines, the EU regulation 2015/2283 is not limited regarding the amount of species. In all cases, however, legal certainty was achieved, and future will tell how commercial offer and demand will develop and whether the microbiological recommendations of good hygiene practice established now will be met.
Schlüsselwörter: Deutschland, Österreich, Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein, Novel Food-Verordnung (EU) 2015/2283
Keywords: Germany, Austria, Switzerland, Luxemburg, Liechtenstein, novel food regulation (EU) 2015/2283
Nils.Grabowski@tiho-hannover.de
Arch Lebensmittelhyg 69,
108–114 (2018)
DOI 10.2376/0003-925X-69-108
© M. & H. Schaper GmbH & Co.
ISSN 0003-925X